Conan Exiles ist ein Online-Rollenspiel, das mit Extremen lockt: Inspiriert von Hyboria, der Fantasy-Welt von Conan dem Barbaren, sollen hier die virtuellen BewohnerInnen ständig miteinander um Ressourcen kämpfen, Ländereien erobern und mit großen Geschlechtsteilen prahlen. Spieler können computergesteuerte Figuren einfangen und versklaven. Lange Zeit spielte das Entwicklerteam Funcom mit der Idee, Kastration als Feature einzuführen. Journalisten erhielten Penis-Maßbänder als Werbegeschenk.

Mit all diesen Eindrücken prägte Funcom ein bestimmtes Bild von Conan Exiles öffentlichkeitswirksam: In ihrem Spiel geht es rau und „barbarisch“ zu, es gilt das Recht des Stärkeren. Nacktheit, Gewalt und eine Prise Chaos sind willkommen.
In Wirklichkeit ist das aber nur eine Seite von Conan Exiles, denn innerhalb dieser mittlerweile vier Millionen Menschen großen Community gibt es eine Spielergruppe, die an den eigentlichen Aufgaben im Spiel nicht interessiert sind. Stattdessen versammelt sich diese Gemeinschaft regelmäßig auf eigenen, inoffiziellen Servern und betreibt ein Rollenspiel der besonderen Art: Sie machen sich freiwillig zu Sklaven, inszenieren Treibjagden auf sich selbst — oder schwingen sich zum Sklavenhalter auf, um andere SpielerInnen zu „besitzen“.
Für Spiegel Online habe ich mit einigen von ihnen gesprochen, aber bei weitem nicht alle Geschichte erzählen können, die ich hören durfte. Deswegen stelle ich hier noch einige weitere SpielerInnen vor, die Conan Exile für sich und andere zu einem ganz besonderen Spiel machen.
Alexandria ist Sklavenhalterin und in ihrer Community gut bekannt: Die Spielerin, die ihre Anonymität zum Schutz ihrer Privatsphäre wahren will, stellt sich im Interview mit OK COOL als „reifere Frau“ vor, die an der US-amerikanischen Ostküste als Optikerin arbeitet. Ihre Freizeit verbringt sie auf den inoffiziellen Servern von Conan Exiles, wo sie täglich mehrere Stunden zur Sklavenhalterin wird.

In ihrem Besitz befinden sich gleich mehrere andere SpielerInnen, die jeden Befehl von Alexandria befolgen müssen. Im Interview erklärt sie, wie man sich diese Interaktion zwischen ihr und den menschlichen Sklaven vorstellen muss: „Ich bin für diese Spieler sowas wie ein intelligenter NPC, also jemand, der ihnen Aufgaben erteilt und Ziele in der Spielwelt gibt. Andere Sklavenhalter haben sich auf die Inszenierung der Gefangennahme oder die Treibjagd auf Sklaven konzentriert, ich hingegen konzentriere mich auf das Rollenspiel mit den Sklaven in meinem Besitz.“
Alexandrias Ingame-Charakter behandelt ihre Sklaven gut: Beleidigungen, Erniedrigungen oder (virtuelle) körperliche Gewalt lehnt sie ab. Ihre Sklaven sind vielmehr Bedienstete ohne eigene Agenda oder eigenen Willen, die auf Botengänge oder zum Holzfällen in den Wald geschickt werden — und das auf ausdrücklichen Wunsch jedes Spielers in Alexandrias Besitz.
Die Sklavenhalterin Alexandria ist auf ihren Stammservern mittlerweile für ihr interessantes Rollenspiel, das sie ihren Sklaven mit ihren Aufträgen und Anweisungen bietet, bekannt. Deswegen bekommt sie fast täglich Anschriften von SpielerInnen, die gerne zu ihren Sklaven werden wollen. Doch Alexandria akzeptiert nicht alle BewerberInnen: In einem Vorgespräch bespricht sie mit der jeweiligen SpielerIn ganz genau, wie das Rollenspiel ablaufen könnte, wo die Grenzen für Sklave und Sklavenhalterin verlaufen — und dass erotisches Rollenspiel nicht in Frage kommt.
Dazu erklärt sie: „Ich bin nicht prüde oder so, das ganze Spiel dreht sich ja zu einem gewissen Grad auch um Nacktheit und ‚barbarische‘ Erotik. Erotische Rollenspiele sind quasi so alt, wie Online-Chats und das ist auch gut so. Aber ich persönlich finde, dass besonders in der Welt von Conan Exiles die Erotik viel zu sehr auf Gesten und Handlungen beruht und dabei das eigentliche Rollenspiel, der verbale Austausch, in den Hintergrund rückt.“

Damit spielt Alexandria auf die zahlreichen Erotik-Mods an, die seit Release im Januar 2017 von Fans programmiert und gratis zum Download angeboten werden. Inhaltserweiterungen wie Conan Sexiles (aktuell über 44.000 aktive NutzerInnen) führen neue Animationen ein, die Geschlechtsverkehr und orgasmatisches Stöhnen imitieren oder das Fesseln mit Plüsch-Handschellen erlauben. Inoffizielle Server, die diese Mods und das erotische Rollenspiel in den Vorgergrund stellen, gibt es hunderte — weitaus seltener sind hingegen die Orte, an denen SpielerInnen wie Alexandria ganz ohne erotische Anleihen miteinander interagieren.
Um dieser überschaubaren Community einen Versammlungsort zu schenken, hat Alexandria gemeinsam mit einem Freund die Website Conan Exiles Roleplay (CERP) ins Leben gerufen, wo alle Interessierten im Forum Gleichgesinnte finden, über Mod-Geheimtipps oder ihre Erlebnisse auf den Servern sprechen können. Hier lernen sich auch die SpielerInnen kennen, die sich aus Abenteuerlust gegenseitig versklaven oder online in Gefangenschaft geraten wollen.
Hin und wieder wird die Sklavenhalterin für ihre Online-Aktivitäten von anderen SpielerInnen, die nichts mit dem Geschehen auf den inoffiziellen Servern zu tun haben, doof angemacht. Ihre Identität als Sklavenhalterin sei „krank“ oder einfach nur „seltsam“. Im Interview mit OK COOL erklärt Alexandria dazu, dass Sklaverei natürlich ein kritisches Thema sei, das „gewisse Reaktionen von manchen Leuten provoziere“.
Aber zum einen sei Sklaverei schon immer ein Teil der Welt von Conan gewesen, sie trete hier also nur in bereits vorhandene Fußstapfen. Zum anderen dient ihrer Community das Motiv der Sklaverei als narrative Vorlage für selbstgeschriebene Abenteuer, die darüber hinaus niemals gegen den Willen einer beteiligten Person durchgespielt werden.
Auf Außenstehende mag das freiwillige Sklaventum von Conan Exiles möglicherweise sonderbar wirken, doch für die beteiligten SpielerInnen ist dieses Rollenspiel die Grundlage für spannende, selbstgeschriebene Abenteuer, die gemeinsam und auf Augenhöhe erlebt werden können.