Es ist nicht so, als hätte man es nicht kommen sehen können. Natürlich sind irgendwann auch die größten Fördertöpfe leer, selbst die der Bundesregierung, die mit ihrer „Gamesförderung“ viele Millionen Euro für BewerberInnen aus der Spielebranche und ihre Projekte zur Verfügung stellte. Das war allen klar.
Was allerdings viele überraschte: Dass die Töpfe jetzt schon leer sind – nicht nur für 2022, sondern auch für das kommende Jahr. Rien ne va plus, nichts geht mehr. Das offenbarte das Wirtschaftsministerium vergangenen Montag der hiesigen Spielebranche in einer offiziellen Pressemitteilung, pünktlich zu Halloween – makaber.
Gerade kleinere Teams oder sogar EinzelkämpferInnen erwischte diese überraschende Neuigkeit von den leeren Töpfen auf dem falschen Fuß. Plötzlich sind nun nicht nur Projekte, sondern auch Existenzen bedroht – nicht zuletzt weil alleine die Aussicht auf eine Förderung die Gespräche mit potentiellen Publishern erleichtert hat. Dieses mächtige Verhandlungsargument fällt für Deutschlands Spielenachwuchs nun weg.
Und das Entsetzen darüber ist vielfach groß, gerade weil die Gamesförderung als besonders planbar galt: Im Gegensatz zu den üblichen Fördergeldern müssen sich Bewerber hier nicht um die Mittel mit einem aufwändigen Pitch bewerben und auf eine Zusage hoffen. Stattdessen genügt es, die Antragsbedingungen zu erfüllen – dann fließt das Geld, das außerdem nicht mehr zurückgezahlt werden muss. Zwei enorm attraktive Eigenschaften einer Förderung, die in den letzten Jahren für einen Aufwind in der deutschen Spielebranche gesorgt hat. Aber damit ist nun Schluss.
Im Namen von OK COOL habe ich mit Indie-EntwicklerInnen aus ganz Deutschland gesprochen, die direkt oder indirekt von der gestoppten Gamesförderung betroffen sind. Ihre Geschichten, komprimiert und zusammengefasst, findet ihr nachfolgend. Sie stehen stellvertretend für die vielen Teams, die in den kommenden Wochen nun nicht mehr über Features, sondern über Kündigungen, Kürzungen oder den Bankrott nachdenken müssen. Ein Szenario, das mit besserer Kommunikation vermeidbar gewesen wäre.
„Für uns waren die ersten Förderrunden ziemliches Glück, denn mein Bruder Gerrit und ich arbeiten sonst als Freelancer und durch Corona fielen einige unserer Aufträge weg. Die Förderung hat uns also einige Kosten abgenommen und ein kleines Gehalt ermöglicht.
Ohne sie – puh… ich weiß nicht, ob ich dir sonst heute schreiben würde. Ich denke wir hätten es schon irgendwie geschafft, aber die Förderung hat uns unser Büro finanziert und den Freiraum gegeben, an dem Prototypen für ‚The Treepoids and the Island of Professor Flora‘ zu arbeiten.
Dieses Jahr haben wir genutzt, unser Projekt mehreren Publishern zu präsentieren, wo das Interesse durchweg positiv war. Natürlich kam dann auch immer die Frage nach dem Budget, gerade weil wir ein ambitioniertes Produkt mit hoher Qualität haben. Die Möglichkeit die Kosten über die Förderung zu halbieren hörte jeder Publisher natürlich gerne.
Die nun leeren Töpfe bedeuten für uns jetzt erstmal, dass wir alle unsere Pläne mit Publishern überdenken müssen – und leider auch unsere Teamgröße für das neue Jahr. Den eigentlich geplanten Produktionsbeginn für unser Spiel Anfang 2023 können wir auch nicht halten, außer wir finden einen Publisher, der das gesamte Kapital einbringt. Ungefähr ein Drittel aller potentiellen Publisher würde da aber rausfallen, das wissen wir schon.
– Patrick Henschel, Mitgründer des fünfköpfigen Teams „Psycraft“
„Vor drei Jahren habe ich begonnen, mein aktuelles Game ‚Blueberry‘ zu entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch in Brisbane, Australien gewohnt und mit einem australischen Team von drei Freelancern zusammengearbeitet, die Audio, Character Animation und Programmierung gemacht haben.
Seit Mai 2021 ist der Vertical Slice von ‚Blueberry‘ so weit, dass ich mit der Suche nach einem Publisher begonnen habe. Im November bin ich außerdem aus familiären Gründen nach Deutschland zurückgezogen. Das bedeutet, dass Mellow Games momentan nur aus mir selbst besteht und ich in Deutschland nach einem neuen Team suche. Dies ist jedoch nicht möglich ohne die Finanzierung, um Teammitglieder zu bezahlen.
Die Publishersuche war bisher leider nicht erfolgreich. Es ist nicht das typische Game, was Investoren anzieht, da es ein narrativer Plattformer ist, welche statistisch gesehen nicht unbedingt sehr viel Geld machen. Es hat aber eine besondere Story, da es um die Traumabewältigung einer Mutter geht, die versucht, dieses Trauma nicht an ihr Kind weiterzugeben.
Auf der gamescom 2022 hatte ich sehr viele Publisher-Meetings und gewann den Pitch Contest. Trotzdem war die Publishersuche schwierig. Daher präsentierte ich das Game mit der Bemerkung, dass eine Chance auf die Bundesförderung bestünde, die bekanntlich die Hälfte der Entwicklungskosten übernimmt, wenn sich ein Investor für den Rest findet.
Es scheint, dass die Bundesförderung einer der letzten Chancen für ‚Blueberry‘ war. Ich weiß, dass es viele Leute gibt, die narrative Games nicht mögen und sie für schlechtere Games halten. Aber ich glaube, dass dieses Game etwas zu sagen hat, was manche Spieler gerne hören würden und wodurch sie sich vielleicht etwas weniger alleine fühlen würden. Daher fände ich es schade, wenn ich die Entwicklung komplett aufgeben müsste.
Das Streichen der Neuanträge für die Bundesförderung hat dies leider wahrscheinlicher gemacht. Ich werde weiterhin auf eine Rückmeldung von interessierten Publishern von der Gamescom hoffen. Jedoch wird sich in spätestens zwei Monaten herausstellen, ob das klappen wird – ansonsten ist dies wohl tatsächlich das Ende von ‚Blueberry‘.“
– Mel Taylor, Gründerin & Director des Teams „Mellow Games“
„Unser Studio und unser Projekt ‚Prospector‘, ein narratives SciFi-2D-Adventure, ist bisher aus Fördergeldern von GameCity Hamburg finanziert und die Bundesförderung war fester Bestandteil unseres finanziellen Plans.
Foto: Selim Sudheimer | Bereitgestellt von Gamecity Hamburg
Die Nachricht von den leeren Töpfen hat uns daher natürlich kalt erwischt. Die Bundesforderung ist eigentlich das große Standbein unserer Finanzierung: Etwa 85% der Kosten sollten 2023 von ihr gedeckt werden.
Dazu kommt die generelle wirtschaftliche Unsicherheit, die es wahrscheinlich auch einem potenziellen Publisher schwieriger macht, unser Projekt zu Ende zu finanzieren. Mittelfristig schätze ich mal, dass wir entweder uns mehr auf Auftragsarbeit konzentrieren müssen und/oder den Umfang unseres Spiels anpassen, um eine Publisher-Finanzierung wahrscheinlicher zu machen. Das ist schlecht für uns.
Und zwar nicht nur, weil wir uns natürlich lieber einfach darauf konzentrieren würden, ein gutes und marktfähiges Spiel zu produzieren, sondern weil wir durch mehr Auftragsarbeit nicht einfach eine fehlende Bundesförderung kompensieren können.
Solange wir keine Förderung oder andere Finanzierung haben, wird die Produktion von Prospektor eher ein Side-Gig, welche wir selbst finanzieren müssten. Das wird den Zeitraum für die Produktion wohl eher verdoppeln. Es ist einfach ziemlich schwierig ein Spiel zu machen, wenn man dabei ständig Zeit investieren muss, um Geld zu bekommen
Hoffentlich klärt sich das alles zum Guten auf. Wir sind ziemlich besorgt, wie wir das bewältigen sollen.“
– Julian Heinken, Mitgründer des dreiköpfigen Teams „Symmetry Break Studio“
„Wir haben Spoonful Games vor einem Jahr gegründet und befinden uns derzeit in der Prototypenphase, gefördert von der Film- und Medienstiftung NRW, für unser Debüttitel ‚Magic Pawnshop‘, einem cozy Shopkeeper Game.
Die Mitteilung zum Förderstopp hat uns erstmal die Luft aus den Segeln genommen. Der Bund fördert 50% der Produktion, was wir sonst als Indie-Entwickler gar nicht selber stemmen könnten. Auch für Publisher ist die Aussicht auf die Bundesförderung oft ein gutes Argument, da sie das finanzielle Risiko für alle beteiligten Parteien senkt. Daher haben wir diese Fördermöglichkeit fest eingeplant und müssen nun überlegen, wie es mit unserem Projekt und unserer Firma weitergeht. Glücklicherweise haben wir noch einige Monate, bis die Prototypenförderung ausläuft. Bis dahin brauchen wir einen konkreten Plan.
Unseren ursprünglichen Zeitplan werden wir aber nicht beibehalten können. Das bedeutet unmittelbar, dass sich die Entwicklung des Spiels und damit auch der Release erheblich verzögern werden. Das hat nun auch die traurige Konsequenz, dass wir unsere Social Media Managerin entlassen müssen. Eine Social Media Kampagne setzt man üblicherweise für einen bestimmten Zeitraum vor dem Release an. Da sich der nun aber auf unbestimmte Zeit verschiebt, können wir uns diesen Posten trotz der bisherigen fantastischen Zusammenarbeit einfach nicht leisten. Das bedauern wir sehr, aber in der aktuellen Situation sehen wir leider keine Alternative.
Und als nächstes? Jetzt gilt es, Ruhe zu bewahren und sachlich an die Problematik heranzugehen. Als erstes werden wir uns um Auftragsarbeiten bemühen, um als Firma und Privatpersonen über Wasser bleiben zu können, bis wieder Aussicht auf neue Fördergelder besteht.
Es ist schwierig einzuschätzen, wie viele andere Studios in dieser Situation ähnlich handeln. Wir hoffen darauf, dass es uns trotz des möglichen höheren Andrangs möglich sein wird, Aufträge zu finden. Sobald die Existenz von Spoonful in den kommenden Monaten abgesichert ist, können wir uns Gedanken über die Zukunft von unserem Spiel ‚Magic Pawnshop‘ machen. Wir würden liebend gern nächstes Jahr schon loslegen können, aber das liegt fürs erste nicht in unserer Hand.
– Hanna Steinhauer, Geschäftsführerin & Game Designerin des sechsköpfigen Teams „Spoonful Games“
„Ich gehöre zu Bleakmill Games, ein kleines Remote Indie Studio aus Berlin und Glasgow. Wir haben letztes Jahr unser erstes Spiel, einen narrativen Shooter namens ‚Industria‘ auf PC und Konsolen veröffentlicht und arbeiten momentan an unserem nächsten noch nicht angekündigten Titel.
Die Konsequenzen der leeren Töpfe sind bei uns im Vergleich zu anderen Studios, die z.B. einen Prototypen bereits gefördert bekommen haben oder wo ein dutzend Arbeitsplätze betroffen sind, nicht ganz so schlimm ausgefallen. Dennoch: wir haben mit der Förderung kalkuliert und seit einem Jahr Planung betrieben.
Dazu gehörte auch eine GmbH-Gründung (wir hatten vorher nur eine ‚Limited‘ in Schottland und haben uns nicht zuletzt wegen der Fördermittel entschieden nach Deutschland umzuziehen). Publisher und Investoren-Verträge liefen gerade wegen der Förderung gut und nun fehlt Geld im sechsstelligen Bereich, was nun Institutionen wie Medienboard, Crowdfunding oder Investor spontan übernehmen müsste.
Damit sind schlechtere Konditionen bei Publishern und ein großer Mehraufwand bei allen anderen Dingen vorprogrammiert. Einzelne Teammitglieder von uns, die auf das Projekt finanziell gezählt haben, müssen sich jetzt neu aufstellen.
– David Jungnickel, Gründer von „Bleakmill Games“
„‚Sticky Stone Studio‘ entwickelt seit 2018 Videospiele und visuelle multimediale Anwendungen und wurde von mir und Nikolai Bartsch, zwei Studenten der technischen Hochschule in Offenburg gegründet.
Seit 2020 sind wir eine GmbH und mittlerweile auf zehn Mitarbeiter aus ganz Deutschland herangewachsen und arbeiten remote, oder vereint im schönen Freiburger Stühlinger. Unsere aktuelle Produktion ‚M.O.O.D.S.‘ ist ein Action-Rouge-like Game, das in einer futuristischen Welt spielt, die von den Menschen verlassen ist und von Robotern beherrscht wird, die jetzt allmählich Emotionen entdecken.
Für ‚M.O.O.D.S.‘ wollten wir im November 2022 die Produktionsförderung beantragen und haben das auch genauso mit Publishern und Investoren kommuniziert. Da die Förderung auch ein Schlüsselfaktor für die Absichtserklärung unserer Partner ist, die uns unterstützen wollen, ist das natürlich relativ dramatisch. Erstens verspielen wir unser Vertrauen als Gaming-Standort Baden-Württemberg und zweitens als Studio in Deutschland insgesamt, da es einfach nicht möglich ist so eine umfangreiche Produktion bei einer solchen Kommunikation der Bundesregierung zu planen.
Auf der Gamescom 2022 Ende August hatten wir noch die Information, das noch genug Gelder zur Verfügung stehen. Jetzt haben wir die Situation, das nicht nur für 2022 kein Geld mehr da ist, sondern auch 2023. Konkret platzen dadurch Publisherdeals – da wir nicht mehr dieselben Konditionen verlangen können. Für uns heißt das weiterhin die Produktion aus eigener Tasche zu zahlen – und die Produktion von ‚M.O.O.D.S.‘ leidet so stark darunter, dass es den Early Access Release für 2023 infrage stellt.
Aktuell haben wir zum Glück mehrere Kunden, für die wir multimediale visuelle Applikationen entwickeln und so Gelder für unsere Produktion verdienen können – allerdings ist das nur mäßig skalierbar und wir können uns nicht vollkommen auf unsere Games fokussieren.
Bis letzter Woche war ich mit der Förderlandschaft in Deutschland sehr happy, denn wir bekommen sehr starken Talent-Zulauf im Südwesten. Außerdem wurden wir ja schon von der Landesförderung unterstützt, weshalb ‚M.O.O.D.S.‘ auch schon so weit entwickelt ist. Jetzt ist das eine mittelschwere Katastrophe, wenn wir für ein ganzes Jahr keine Zuschuss-Fördermöglichkeiten des Bundes für die Produktion erhalten. Wir fühlen uns im Stich gelassen.
– Philipp Degapser, CEO und Game Prodocuer des zehnköpfigen Teams „Sticky Stone Studio“
„Wir haben uns 2020 während unseres Studiums gegründet und letztes Jahr den Puzzle Platformer ‚A Juggler’s Tale‘ released, der erfreulichweise erstaunlich gut ankam und auch einige Preise gewinnen konnte. Mit diesem Spiel haben wir auch unser Studium abgeschlossen und arbeiten jetzt zum ersten Mal als ‚echte Firma‘ an einem neuen Spiel – aktuell in Form eines Prototypen.
Der momentane Antragsstopp stellt für ein riesen Problem dar. Ich glaube, so richtig hat damit in der Kürze der Zeit niemand gerechnet. Wir haben jetzt in 2022 an einem neuen Prototypen für ein größeres Spiel gearbeitet – finanziert von der Bundesförderung, der MFG Baden-Württemberg aber eben auch mit unserem eigenen Geld.
Das Ziel ist natürlich, auch mit diesem Titel in die Produktion zu gehen, weshalb wir seid der Gamescom intensiv mit Publishern in Gesprächen sind. Die Bundesförderung war immer ein fester Bestandteil dieser Gespräche – da wir fest damit gerechnet haben, davon profitieren zu können und inzwischen auch die internationalen Publisher von dieser Fördermaßnahme in Deutschland ausgehen.
Im Gegensatz zu anderen Förderungen, die oft mit einem Juryverfahren vergeben, haben wir und viele anderen mit der Bundesförderung fest geplant. Diese Pläne funktionieren jetzt natürlich nicht mehr. Und der plötzliche Förderstopp wirft da so einiges über den Haufen: Verhandlungen mit Publishern dauern ja auch ihre Zeit, und in dieser Zeit muss man einfach von bestimmten finanziellen Fakten ausgehen können.
Oftmals gibt es da die Doppelkombination: Ein Publisher will nur unterschreiben, wenn es die Förderung gibt – aber die Förderung braucht einen ‚Letter-Of-Intent‘ des Publishers, dass dieser die übrige Finanzierung übernehmen wird. Dass die Töpfe leer sind, ist da das eine Problem – aber das auf diese kurzfristige Art zu kommunizieren raubt uns als Studio jegliche Argumentationsgrundlage und wird auch in den nächsten Jahren für viele Probleme bei Publisherverhandlungen sorgen. Denn so richtig planen will damit wahrscheinlich keiner mehr.
Für uns konkret heißt das jetzt: Wir müssen jetzt umplanen, und schauen ob wir einen Publisher finden, der auch ohne Förderung das Spiel mit uns machen möchte. Das wäre natürlich einfacher gewesen, wenn man von Anfang an so auf die Publisher zugegangen wäre – so steht man jetzt ein bisschen komisch da. Hoffentlich gibt es da dennoch Interesse…
Es hätte aber auch noch deutlich schlimmer laufen können. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das für Studios sein muss, die anderen Publishern vielleicht sogar schon abgesagt haben, nur um jetzt festzustellen, dass ihre Wahl die erhöhten Kosten nicht tragen kann. Auch langfristig ist das für uns natürlich ein Problem: Selbst wenn wir die Finanzierung jetzt stemmen können, muss das Spiel am Ende deutlich mehr Einnahmen machen, bevor wir als Firma etwas davon sehen, als wie noch vor ein paar Wochen.“
– Dominik Schön, Mitgründer des Teams „kaleidoscube“
Eine Zusammenfassung der Reaktionen und beschriebenen Konsequenzen könnte so lauten: Egal, wie es mit der Gamesförderung nun weiter geht – die vorerst leeren Fördertöpfe haben bereits Schaden angerichtet.
Erstens: Das Vertrauen nationaler und internationaler Publisher in den Games-Standort Deutschland wurde erschüttert – gerade weil die Bundesregierung selbst ihr Förderprogramm als „verlässlich“ und „besonders gut planbar“ beworben hat. Nun aber sind plötzlich und überraschend bereits ausgesprochene Zusicherungen nicht mehr gültig, Absprachen können nicht mehr eingehalten werden, Kooperationsangebote müssen zurückgenommen werden.
Zweitens: Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung und ihrer Bemühungen, den Spielestandort Deutschland zu stärken, hat Kratzer bekommen. Zwar habe sich das Wirtschaftsministerium – wie es in einer Stellungnahme auf Nachfrage von OK COOL heißt – darum bemüht, den Branchenverband „Games“ und „einige Akteure der Branche“ über das nahende Ende der Fördermittel zu informieren. Tatsächlich erreicht haben diese Informationen aber nur einen Bruchteil der Teams. Man fühlt sich im Stich gelassen, die Kommunikation über die Ministeriumsgrenzen hinweg hat nicht gut funktioniert.
Drittens: Viele Indie-Studios müssen ihre Eigenproduktionen nun stoppen und auf Auftragsarbeiten ausweichen, um sich finanziell über Wasser halten zu können. Die Folge: Der Markt wird überschwemmt von EntwicklerInnen, die händeringend nach Aufträgen sorgen. Wer nicht gut vernetzt ist oder noch ganz am Karriereanfang steht, wird hier das Nachsehen haben.
Und schließlich viertens: Es wird einen Ansturm auf die Förderprogramme der Bundesländer geben. Die Konkurrenz in den Ländern wird so nun noch größer, während die Fördersummen selbst zu klein sind, um die ausbleibende Games-Förderung aufzufangen.
Zusätzlich zu den obigen Interviews, die ich mit meinen GesprächspartnerInnen schriftlich geführt habe, setzte ich mich gemeinsam mit der Entwicklerin Kathrin Radkte vor’s Mikrofon. Kathrin gründete 2021 das Studio „Spellgarden Games“, nachdem sie jahrelang beim renommierten Berliner Team „Studio Fizbin“ (Say No More, Minute of Islands) als Programmiererin mitgearbeitet hatte.
Ihre Zukunftspläne als Gründerin waren ambitioniert – bis auch sie von den plötzlich leeren Fördertöpfen überrascht wurde. Im Gespräch ordnet sie die Neuigkeit noch einmal aus ihrer Perspektive ein und versucht gemeinsam mit ihm in die Zukunft der deutschen Spielebranche zu blicken:
Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie gut und schnell sich gerade der Nachwuchs und die kleineren Teams der deutschen Spielebranche von dieser Überraschung erholen können. Ein wenig Hoffnung, dass sich die leeren Töpfe doch noch einmal füllen, besteht: Im November finden die Haushaltsberatungen des Bundes statt, eine Anpassung der verfügbaren Fördermittel ist theoretisch möglich und denkbar.
Doch selbst wenn das geschieht, wird das nicht die nun schlaflosen Nächte, ratlosen Meetings und verzweifelten Kämpfe um das finanzielle Überleben vieler EntwicklerInnen wiedergutmachen können. Die Töpfe sind erstmal leer – und die Köpfe hängen tief.
Ein großes Dankeschön an alle EntwicklerInnen, die sich Zeit für die Gespräche mit OK COOL nahmen. Außerdem ein großes Dankeschön an Leonie Wolf, die für diesen Beitrag ein Teaserbild entworfen und gezeichnet hat.